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„Mehr Mut!“

AG DOK-Panel beim DOK Leipzig-Festival 2016

from 03.11.2016

Ein Stuhl blieb leer beim AG DOK-Panel auf dem DOK Leipzig-Festival, das am 1. November im Zeitgeschichtlichen Forum stattfand. Denn leider konnte trotz frühzeitiger Anfragen und intensiver Bemühungen kein Vertreter der öffentlich-rechtlichen Sender für die Diskussionsrunde gewonnen werden, dabei stand sie unter der Überschrift: „Zwischen Gebührenprivileg, Gefallsucht und Glaubwürdigkeitskrise – das Dokumentarische als Impulsgeber des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.“

Dies kommentierte Podiumsgast Dr. Wolfgang Herles mit Bedauern: denn der frei gebliebene Platz sei eigentlich der wichtigste Stuhl – aber, so Herles „ARD und ZDF verweigern sich dem Diskurs.“ Herles war bereits im vorigen Jahr mit seinem Buch „Die Gefallsüchtigen“ in die Rolle des Advocatus Diaboli geschlüpft. Darin hatte er die provokative Forderung formuliert: „Reformiert ARD und ZDF grundlegend oder schafft sie ab.“

Moderator der Veranstaltung war AG DOK-Vorstandsmitglied Dr. Thorolf Lipp, der zum Einstieg in Erinnerung rief: „Glaubwürdigkeit ist die zentrale Währung der vierten Gewalt.“ Seine Podiumsgäste waren – neben Fernsehjournalist und Autor Wolfgang Herles – die Kölner Filmemacherin und Grimme-Preis-Trägerin Bettina Braun sowie Stefan Gebhardt, medienpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt und Mitglied im MDR-Rundfunkrat.

Dr. Wolfgang Herles: „ARD und ZDF verweigern sich dem Diskurs.“

Thorolf Lipp: "Viele dokumentarische Formen kommen in den Programmen nicht mehr vor."
Bettina Braun merkte an, dass Redaktionen häufig kaum mehr selbst Entscheidungen treffen könnten.
Stefan Gebhardt: „Was wir brauchen, ist mehr Mut in den Sendern.“


Thorolf Lipp eröffnete die Diskussion mit einem Zitat von Niklas Luhmann: „Was wir über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir über die Massenmedien. Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen können.“ 
In diesem Spannungsfeld bewegte sich dann auch die zweistündige Diskussion, die mit einer Bestandsaufnahme der aktuellen Situation der Öffentlich-Rechtlichen begann, sich anschließend der Frage des gesellschaftlichen Auftrags der Sender widmete und zum Schluss die Reform-Möglichkeiten des Systems auslotete und nach konkreten Ansätzen suchte.


Zu viel Formatierung

Weitgehender Konsens herrschte auf dem Podium bei der Feststellung, dass es zu viel enge Formatierung und zu wenig Mut für offene Produktionen gebe, zudem werde zu viel Geld in seichte Ablenkung statt in anspruchsvolles Fernsehen investiert.
Auf die Frage, wie es dazu kommen konnte, zeichnete Wolfgang Herles als ehemaliger ZDF-Mitarbeiter die Entwicklung der letzten drei Jahrzehnte nach – denn seit der Einführung des Privat-Fernsehens habe die Quote als alles bestimmendes Kriterium der Programmgestaltung das zuvor herrschende Prinzip der Ausgewogenheit abgelöst. Es sei auch bequemer, so Herles, wenn man sich an der größtmöglichen Masse orientiert, statt am Programmauftrag. Dabei sei die Unterwerfung der Öffentlich-Rechtlichen unter die Marktlogik doch eigentlich nicht nötig.

Stefan Gebhardt vermisste, dass die Sender die nun eigentlich notwendigen Debatten auch mal von sich aus anstoßen, etwa auch die Frage, wo es bei ihnen Strukturen gebe, die heute keinen Nutzen mehr haben. Bettina Braun widersprach in diesem Punkt, denn sie habe schon den Eindruck, dass in den Sendern viel nachgedacht wird, doch durch das Starren auf die Quote werde das Privileg der Gebührenfinanzierung schlicht nicht genutzt.


Nur noch wenige dokumentarische Formate

Thorolf Lipp merkte an, dass die Mehrzahl der dokumentarischen Formen heute in den öffentlich-rechtlichen Programmen gar nicht mehr vorkomme. Wolfgang Herles ging noch einen Schritt weiter, als er die These aufstellte, dass in den Sendern heute so etwas wie eine eigene Handschrift geradezu verboten sei, es herrsche „Format-Stalinismus“, das sei „wie malen nach Zahlen“, statt einem richtigen Restaurant habe man „geistiges Fast-Food“. Man verzichte auf Komplexität, weil diese der Quote schade und ersetze sie stattdessen durch Emotionalität.
Stefan Gebhardt stimmte dem zu, er warnte aber auch davor, die Quote als Messlatte der Akzeptanz vollends zu verteufeln. Dem entgegnete Wolfgang Herles, dass die Quote mittlerweile aber bis in die letzte Ecke hinein gelte.

Als die Frage nach dem eigentlichen Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender gestellt wurde, formulierte Stefan Gebhardt als Mitglied des MDR-Rundfunkrates seinen Eindruck, dass dieser Auftrag im Rundfunk-Staatsvertrag mit den Begriffen „Information – Bildung – Kultur und Unterhaltung“ so allgemein gefasst sei, dass sich alles darunter subsumieren lasse. Ein Problem der Medienpolitik sei zudem, dass bei jeder Änderung des Staatsvertrags alle Bundesländer zustimmen müssen. Bewegung komme erst dann in die Debatten, wenn ein Landtag einmal die Zustimmung verweigere. Das sei in der politischen Praxis aber erst ein- bis zweimal vorgekommen.


"Ernsthaftigkeit" statt Emotionalisierung

Der erkennbaren Tendenz zur Fiktionalisierung der Wirklichkeit setzte Bettina Braun den Begriff der „Ernsthaftigkeit“ entgegen: Emotionalisierung sei in ihren Filmen kein Selbstzweck, sondern sie resultiere aus dem Einfangen authentischer Momente. In ihren Filmen „menschle“ es zwar auch, „aber ich hoffe, glaubwürdig“. In der Zusammenarbeit mit Sender-Redaktionen habe sie keine schlechten Erfahrungen gemacht, da die Probleme vor allem struktureller Art seien, so etwa, dass Redaktionen häufig kaum mehr selbst Entscheidungen treffen könnten, und in den Sendern oft nicht verstanden werde, dass es nicht nur um Themen als solches gehe, sondern auch um eine bestimmte Art, eine Haltung, diese dann auch zu erzählen. 


Auf die Frage des Moderators, ob er das System denn überhaupt noch für reformfähig halte, gab Stefan Gebhardt eine klare Antwort: Er habe den Eindruck, dass der eine oder andere Verantwortliche in den Sendern noch nicht verstanden habe, worum es geht – nämlich um sein oder nicht-sein des gesamten öffentlich-rechtlichen Systems. „Was wir brauchen, ist mehr Mut in den Sendern.“ Nur so lasse sich die aktuelle gesellschaftliche Dynamik auffangen.
Gebhardt forderte „auch mal das eine oder andere sperrige, anspruchsvolle Format offensiv zu bewerben“, denn gerade die ARD habe mit der Vielzahl an Programmen auch die Möglichkeiten zu. Bettina Braun appellierte an die Sender, mehr Qualität zu wagen und fragte, „wer finanziert den Mut und das Risiko, um mal etwas ungewöhnliches zu wagen?“
Und Wolfgang Herles war sich sicher: „Der größte Fehler der Öffentlich-Rechtlichen ist, dass sie ihr Publikum unterschätzen.“

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