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TV-Broadcasting

Rede von Arne Birkenstock bei "Top of the Docs 2019"

from 14.02.2019

Von Arne Birkenstock.

Haben Sie herzlichen Dank, liebe Patricia Schlesinger! Guten Abend, liebe
Dokumentarfilmschaffende in- und außerhalb der Redaktionen!

Wir feiern die ARD und den Dokumentarfilm. Völlig zu recht. Heute geht es um großartige
Filme, um lauter spannende ARD-Produktionen. Wenn wir aber gleich im Anschluss auf den
nächsten Empfang gehen, reden Alle über: Netflix.

Es gibt in Köln ein Karnevalslied, in dem ein Mann besingt, wie die von ihm angehimmelte
Dame mit einem anderen Mann von dannen zieht. „Wat hät dä – also der Andere – wat isch
nit han“, ruft er traurig im Refrain.

Und so stelle ich mir ‚die’ ARD manchmal vor, wie auch sie vor dem Spiegel steht, an Netflix
denkt und frustriert ausruft: „Wat han die, wat isch nit han!“
„Nix!“, würde ich antworten. Sicher: Netflix, das sind die Neuen auf dem Schulhof, auch das
macht sie attraktiv.

Aber was hat denn Netflix, was Sie nicht haben? Die ARD verfügt über Geld, unzählige
Sendeplätze, eine enorme Marketingpower und – last not least - über hochkompetente
Fachkräfte, genannt Redakteure, die als Geburtshelfer, Dramaturgen und Partner unsere
Filme begleiten und ermöglichen.

Einen Unterschied gibt es: Netflix zeigt, was es hat und redet darüber. In der ARD wird auch
viel geredet: Wir waren Papst und auch Weltmeister. Nun sind wir Vorrundengruppenletzter
im Fußball und vierter der Handball-WM. Päpste und Turniersieger wechseln. Was bleibt?
Wir, also Sie, sind Oscar! Fast jedes Jahr! 2015 der Oscar für „Citizen Four“, 2018
Nominierung für „Last men from Aleppo“, dieses Jahr für „Fathers and Sons“,... Was glauben
Sie, was Netflix da jeweils für ein Fass aufgemacht hätte.
Sie aber sind Oscar! Sie sind auch Sundance, Berlin, Venedig und Cannes! Dutzendfach
Deutscher Filmpreis sind Sie! Mit Dokumentarfilmen! Jedes Jahr! Weiß das irgendwer
außerhalb dieses Raumes? Vielleicht sagen Sie es mal jemanden!

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen in der ARD, produzieren mit uns gemeinsam die besten
Dokumentarfilme der Welt! Filme, die über den Tag hinaus wirken und anders als
Nachrichten oder Talk eine Halbwertzeit über viele Jahre haben. Filme, die universelle
Geschichten erzählen. Filme die künstlerisch, provokant, irritierend, innovativ und
unterhaltsam sind. Filme, die weltweit bepreist und gefeiert werden.

Warum verstecken Sie die? Das ist so, als würde Adidas die drei Streifen auf den
Turnschuhen übermalen, bevor diese an den Einzelhandel ausgeliefert werden. Wären diese
drei Streifen der Kern der Marke ARD, so wäre der unformatierte Dokumentarfilm einer
dieser Streifen.

Seit der Einführung des Privatfernsehens orientiert sich die ARD an der Einschaltquote.
Etwas zu einseitig würden viele und würde auch ich sagen, aber im Grunde war diese
Orientierung ja richtig. Doch die Zeiten ändern sich: 2018 nutzte nur noch ein Drittel der 14-
29jährigen das lineare Fernsehen, die Streamingnutzung stieg auf fast 60% an. Bei den 14-
29jährigen. Das von der Quote gemessene Publikum ist im Schnitt älter als 60.

Wenn Sie zur Plattform werden und junge Zuschauer (oder auch nur mittelalte wie mich)
dorthin locken wollen, geht es weniger um die Quote, als um die Marke! Netflix weiß das.
Ich glaube nicht, dass ein langsam geschnittener Schwarzweiß-Film, dessen künstlerische
Qualität wirklich nur im Kino sichtbar wird, Publikums-Renner auf der Plattform ist. Aber:
Seit Monaten reden alle über „Roma“, seit Monaten prägt dieser Film die Marke Netflix.

Netflix puscht auch seine Dokus. Obwohl diese ebenfalls weniger Zuschauer finden als
„House of Cards“ mit – oder ohne – Kevin Spacey. Aber es wird darüber gesprochen. Die
„brand“ Netflix wird über diese Produkte kommuniziert und nicht über den Schrott, den man
auch auf dieser Plattform finden kann und der bisweilen ganz sicher auch dort quantitativ
erfolgreich ist.

Das Erste und alle Dritten zusammen verfügen jede Woche über 5040 Minuten in der ersten
Primetime. Wäre es kühn, davon 90 für den unformatierten Dokumentarfilm
abzuzweigen und „nur“ noch 4950 Minuten pro Woche für Verbrauchermagazine, Talk, Quiz,
Regionales, Krimis und Reportagen zu reservieren?

Mit Primetime-Sendungen wie „Heimat der Rekorde“, den „Ernährungs-Docs“ oder dem „Ich
weiß alles“-Quiz pflegen Sie Ihren Markenkern jedenfalls nicht. Und auf dem Schulhof reißen
Sie damit auch nichts. Da sind wir uns schon einig, oder? Niemand hier im Raum glaubt
ernsthaft, diese Sendungen definieren die „brand“ ARD oder bringen neue Zielgruppen auf
ihre Mediathek.

Natürlich, Sendezeiten sind für den non-linearen Konsums egal. Aber so lange sie selbst
ihren Werbe-, Betrailerungs- und Marketingaufwand entlang ihrer linearen Sendezeiten
ausrichten, so lange brauchen sie die Prime-Time für Ihren Markenkern – u.a. für den
Dokumentarfilm.

Wenn wir uns im kommenden Jahr hier wiedersehen – und Sie mal wieder unbemerkt von
der Außenwelt den nächsten Oscar abgeräumt haben – dann wünsche ich Ihnen, dass Sie
den wöchentlichen PrimeTime-Sendeplatz – oder das non-lineare Equivalent dazu – für den
langen Dokumentarfilm bekanntgeben. Und dass Sie nicht mehr vor dem Spiegel stehen,
sondern Ihr Fenster öffnen und in die Welt hinausrufen:

„Wir sind die ARD!
Wir machen die besten Dokumentarfilme der Welt!
Denn: Das können nur wir!“

Herzlichen Dank!


Arne Birkenstock ist Regisseur, Produzent und Geschäftsführer der Produktionsfirma
Fruitmarket in Köln. Der zweifache Träger des Deutschen Filmpreises ist Mitglied der AG DOK
und Vorstandsmitglied der Deutschen Filmakademie. www.fruitmarket.de

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