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Journalismus

Aus dem Produktionsalltag eines unabhängigen Filmemachers

vom 28.08.2014

Ein Gespräch mit dem Berliner Filmemacher und Produzenten
Dietmar Post (AG DOK)

Erschienen in black box Nr. 244 / August 2014
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Ellen Wietstock.


Ellen Wietstock: Was bedeutet es, heutzutage Autorenfilmproduzent zu sein?

Dietmar Post: Wenn man sich mit Kollegen austauscht, stellt man fest, dass sich alle unsere Erfahrungen in etwa gleichen. Es gibt Leute, die sind drin, und Leute, die sind draußen. Es existiert in Deutschland keine Underground-Filmszene. Das hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass die Filmförderung relativ schnell installiert wurde — mit dem Oberhausener Manifest war auch der Underground tot. Selbst die radikalsten Experimentalfilmer sind irgendwann integriert und in den Apparat aufgenommen worden. Das ist durchaus positiv. Nur es verführt zur Bequemlichkeit. Ganz anders in den USA, dort stellen Filmemacher wirklich unabhängig von der Förderung und der großen Industrie Dinge auf die Beine. Hier gibt es nur sehr wenige Filmemacher, die wirklich komplett unabhängig arbeiten.

Ellen Wietstock: Wer gehört für Dich dazu?

Dietmar Post: In den 1980-er Jahren waren das die Leute um die Tödliche Doris, Jörg Buttgereit, Vlado Kristl, Matthias Müller, Peter Sempel. Selbst Helge Schneider ist aus der Kleinkunst- und Underground-Szene in den Mainstream gewandert. Wo sind die Vertreter der heutigen Generation?

Ellen Wietstock: Matthias Müller macht noch regelmäßig Filme.

Dietmar Post: Ja, er macht hervorragende Filme. Viele Kollegen kennen Matthias Müller gar nicht. Aber Matthias ist auch kein typischer Undergroundfilmer. Er stammt aus der Braunschweiger Filmklasse von Birgit Hein. Ich selbst stamme aus der Punk- und DIY (Do-It-Yourself)-Generation. Mir muss niemand sagen, wer ich bin, das entscheide ich allein. Ich brauche keine Filmschule, sondern nur den Willen und die Möglichkeit des Ausprobierens. Das Kleine Fernsehspiel bietet ja diese Möglichkeit und noch ein paar andere sehr kleine Redaktionen. Aber das ist alles viel zu wenig.

Ellen Wietstock: Und Talent kann auch nicht schaden.

Dietmar Post: Sicher, aber das Verhältnis lautet: 10 % Talent und 90 % harte Arbeit. Ich fühle mich eher dem Denken und Handeln der Autorenfilnier-Generation verpflichtet. Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Konsorten waren auch alles Do-it-yourself-Typen. Es gibt eine schöne Anekdote: Fassbinder bittet Herzog, seinen nächsten Film zu produzieren, und Herzog antwortet: „Rainer, Du kannst ein Gewerbe anmelden. Das kostet 20 Mark. Und dann machst Du das selber." Heute gibt es in Deutschland unzählige Filmhochschulen, die direkt für die Filmindustrie ausbilden.

Ellen Wietstock: Die es ja in Deutschland im Grunde gar nicht gibt.

Dietmar Post: Doch, die gibt es schon, auch die Autoindustrie und Banken werden subventioniert. Denn der Kapitalismus funktioniert ja nicht wirklich. Selbst in dem kapitalistischsten Land der Welt, in USA, schaffen es nur wenige Filme, ihr Geld einzuspielen. Es kommen bekanntlich nur etwa 10 % der US-amerikanischen Produktion in die Kinos.

Ellen Wietstock: Lass uns noch einmal auf die Filmausbildung zurückkommen. Ich habe eher den Eindruck, dass die Filmhochschulen für das Fernsehen ausbilden und weniger für die Kinofilmproduktion.

Dietmar Post: Ich sehe in deutschen und internationalen Spielfilmen eine Ästhetik, die eigentlich der Werbung entlehnt ist. Ich sehe Werbefilmer, die Spiel- und zunehmend auch Dokumentarfilme machen, kaum noch Schriftsteller, bildende Künstler oder Self-Made-Leute, einfach immer weniger experimentierfreudige und künstlerische Filmemacher. Heute hat auf Festivals, in den Fernsehsendern und bei den Filmförderern ein „Werbesprech" Einzug gehalten. Es geht nur darum zu beweisen, dass man der beste Verkäufer/Künstler ist, derjenige, der am besten dieses Projekt bewerkstelligen kann. Es ist ein heftiger Konkurrenzkampf ausgebrochen. Nehmen wir zum Beispiel das Pitchen — ich würde mir wünschen, dass Harun Farocki einen Film darüber gemacht hätte. Wie die Leute sich anbiedern und verkaufen, das ist nicht auszuhalten. Es geht dabei nicht mehr um die grundsätzliche Idee, sondern nur noch darum, dass sich jemand selbst produziert. Die Schuld liegt bei den Festivals und bei den Filmhochschulen, die genau diese Dinge forciert haben.

Ellen Wietstock: Das Ganze lief seinerzeit unter Professionalisierungskampagne.

Dietmar Post: Mittlerweile geht es doch nur noch um die Quote und wie viele Zuschauer ein Film erreicht. Ich finde es erschreckend, dass der ,Spiegel' schreibt, wie ungerecht es sei, dass Fuck You Göhte bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises wieder nicht mit einem Preis bedacht wurde. Es gab Interviews mit Til Schweiger, in denen er sich über Filme lustig macht, die ihr Geld nicht wieder einspielen. Ich als Filmarbeiter muss Til Schweiger nicht doof finden, der gehört für mich mit zum Filmgeschäft; er beschäftigt Beleuchter, Ausstatter usw. Ich finde es aber unanständig, wenn diese gleichen Leute, die gut für das deutsche Filmgeschäft sind, weil sie Jobs schaffen, sich im Verbund mit einigen Journalisten über Leute mokieren, die andere Filme machen. Wenn es im ,Spiegel' heißt: In diesem Jahr gehört zu den Nominierten auch Fuck you Göhte, eine Schulkomödie mit großartigen Dialogen, mehr als sieben Millionen Besucher. Fuck you Göhte ist auch der beste Spielfilm des Jahres. Und weiter: Keine Stilübung wie Das finstere Tal, 88.000 Besucher, kein Weltekelwerk wie Finsterworld 70.000 Besucher, kein Bauerntheater wie Die andere Heimat. 119.000 Besucher. Einfach eine Komödie, die den Zeitgeist trifft, ohne sich anzubiedern." Einen Film von Edgar Reitz als Bauerntheater abzutun, regt mich einfach auf.


Es geht nur noch um Zahlen

Da ist etwas geschehen, was es vor 20, 30 Jahren nicht gegeben hat – auch in den Medien. Es geht nur noch um Zahlen, alles andere ist uninteressant. Für mich hat diese Haltung auch damit zu tun, wie die Filmförderer mit den Filmemachern umgehen. Ich muss mir als Dokumentarfilmemacher von der Filmförderung sagen lassen, wenn es Schwierigkeiten mit der Finanzierung gibt, gehen Sie doch zu Herrn X oder Y, der ist berühmt. Was soll das nützen? Die deutsche Filmförderung krankt daran, dass man entweder einen Sender oder eine Verleihfirma haben muss. Sender und Verleihfirmen werden in den nächsten zehn Jahren obsolet sein. Es geht einzig und allein darum, eine gute Idee zu haben, alles weitere kann man allein bewerkstelligen. Wenn man das aber behauptet, wird man bei den hiesigen Filmförderinstitutionen abgelehnt. Ein Beispiel: Unser Konzept sah vor, dass wir in das Produktionsgeld direkt eine Vermarktung mit hinein kalkulieren, so wie es in Hollywood auch gehandhabt wird. Dann braucht man keine Verleihfirma, sondern stellt seinen Film parallel zum Kinostart ins Netz. Mit den 50.000 Euro, die man zusätzlich in das Budget mit einkalkuliert, finanziert man die Auswertung. Die Förderapparate sind meiner Meinung nach zu behäbig. Es gibt kaum Dokumentarfilme, die ihr Geld wieder einspielen, bestenfalls ein geringer Prozentsatz. Noch nicht einmal die großen Dokumentarfilme wie die von Volker Koepp schaffen das. Das kann nur subventioniert funktionieren. Was soll denn falsch sein an Kulturförderung?


Mehr Respekt vor den Kreativen

Ellen Wietstock: Aber da ist kein Unterschied zum Spielfilm. Alles ist subventioniert. Denn was fließt von den Kassenerfolgen tatsächlich wieder zurück?

Dietmar Post: Warum wird bei der Filmförderung zunehmend auf das Verkaufsargument geschaut? Ich glaube, wir müssen zurück zu dem, was einmal die kulturelle Filmförderung der Filmbüros war. Wir brauchen klar voneinander getrennte Fördertöpfe. Das Medienboard Berlin-Brandenburg versucht es ja mit der ArtCore-Förderung. Ich habe zuweilen den Eindruck, dass sich einige Mitarbeiter der Förderinstitutionen über den Filmemacher stellen, sie lassen einen spüren, dass sie am Machthebel sitzen. Das halte ich für gefährlich, denn diese Mitarbeiter werden ja von unseren Steuergeldern bezahlt, sie haben für die Filmarbeiter Dienstleister zu sein. Ich vermisse Respekt den Kreativen gegenüber. Ich möchte, dass die Förderer sehen, was Film-Leute, die nicht die etablierten Wege gehen, seit 20 Jahren relativ unabhängig von der offiziellen Welt auf die Beine stellen – die Amerikaner nennen es body of work – aber das spielt bei denen alles keine Rolle. Die Talentförderung in den meisten westeuropäischen Ländern halte ich für rassistisch, weil sie nur auf Jugendlichkeit setzt, dabei können frische und gute Ideen durchaus von sehr alten Menschen kommen. Es gibt auch an den Filmhochschulen unvertretbare Altersbegrenzungen. Für mich sind das Dinge, die auf strukturelle Schwachstellen hinweisen.

Ellen Wietstock: Welche Probleme gibt es für Dokumentarfilmproduzenten mit den öffentlich-rechtlichen Sendern?

Dietmar Post: Ich bin noch mit einem hervorragenden Fernsehprogramm aufgewachsen. Montagabends konnte ich den neuesten Bertolucci-Film sehen, es gab experimentelles Theater, und zwar um 20.15 Uhr. Ich stamme aus einem Arbeiterhaushalt, und auch meine Eltern haben jeden Fassbinder-Film gesehen. Sie kannten das deutsche Kino jener Zeit sehr gut, weil es auch im Fernsehen lief. Heute kennt außerhalb der Filmbranche kaum noch jemand Regisseure wie Christoph Hochhäusler, Hans-Christian Schmid und Christian Petzold. Dabei sollten diese Leute doch das Aushängeschild des deutschen Films sein — aber auch deren Filme laufen um Mitternacht. Ein Armutszeugnis. Über die Dokumentarfilmemacher brauchen wir erst gar nicht reden.


Die Sender als Abspielstation

Die Sender sind zur reinen Abspielstation geworden. Wir haben letztes Jahr einen Film über Donna Summer für ARTE/ZDF gemacht. Ein schönes Projekt, das zunächst von ARTE/SWR auf die lange Bank geschoben und schließlich abgelehnt wurde. Auch ein großer Produzent wollte mit einsteigen, aber für uns zu unannehmbaren Bedingungen. Dann war dieser Film endlich fertig, erreichte bei der Ausstrahlung 150.000 Zuschauer, aber nach Fertigstellung eines Films kümmern sich die Sender nicht mehr. ARTE hat allgemein ein Einschaltquote von unter 1 % und erreicht damit nicht das kulturell und gesellschaftlich interessierte Zielpublikum, welches in Deutschland 10 % der Bevölkerung ausmacht. Wenn man eine Zuschauerzahl von 150.000 (ca. 1 %) erreicht, dann ist es doch egal, ob 110.000 oder 120.000 oder 200.000. Wir als kleine Produzenten müssen dann auch noch Werbung dafür machen. Alle Artikel, die in der Presse über unseren Film erschienen sind, haben wir selbst generiert. Dennoch muss man ARTE und 3sat in Schutz nehmen, weil man deren Budgets trotz steigender Gebühreneinnahmen kürzt. Warum denn bloß? Wir Dokumentarfilmer sind der Gradmesser für eine funktionierende Demokratie. Aber man gräbt fleißig das Grab für die letzten aufrechten Redaktionen und die von ihnen abhängigen Filmer. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat einen Informations- und Bildungsauftrag. Diesem kommt es nicht nach. Stattdessen formatiert man die Sendungen wie es bei großen Ladenketten wie McDonalds der Fall ist. Jeder Film soll gleich schmecken. Bitte keine Reklamationen.


Formate, Formate!

Viele World Sales Companies im Dokumentarbereich schauen mittlerweile nur noch aufs Format. Der Filmemacher als solcher ist uninteressant. Sie arbeiten wie eine Schraubenfabrik, da ist die Schachtel für 52 Minuten, da die 43er. Es wird einem von den World Sales Agencys nahegelegt, den Film auf 52 Minuten zu kürzen. Klar, dass die Firmen Geld verdienen müssen. Andererseits sind diese Kürzungen für den Filmemacher unzumutbar in einer digitalen Welt, wo Längen und Formate egal sind. Außerdem sind die Summen, die inzwischen für fertige Filme gezahlt werden so gering, dass man nur noch lachen kann. Unser Grimme-Preis-gekrönter Film über die Monks hatte erfolgreiche TV-Ausstrahlungen, Kinostarts in den USA, Deutschland und Großbritannien. Das Goethe-Institut schickte uns in die USA und nach Australien. Das war alles sehr positiv, wenn auch nicht viel Geld dabei herauskam. Dann wollte ZDFkultur den Film gerne noch fünf- bis zehn Mal ausstrahlen. Dafür wurden uns 2.000 € angeboten. Wir haben uns auf 3.000 € geeinigt - 3.000 € für einen 100minütigen Film. Das kann doch nicht sein, wenn gleichzeitig die Sender für eine Minute Archivmaterial, die in einem Dokumentarfilm verwendet werden soll, die gleiche Summe aufrufen. Mit der Gründung der Sender 3sat und ARTE vor ca. 20 Jahren haben ARD und ZDF eine neue Sparte geschaffen — und sich damit aus der Verantwortung gestohlen, indem sie einerseits so das Entschuldigungsfernsehen etabliert und anderseits die Produktionsbudgets halbiert haben. Die Zersplitterung in weitere Unterspartenkanäle wie ZDKkultur bedeutet für uns Produzenten, dass man uns für einen 90-minütigen Film zwischen 1.000 und 500 € anbietet.

Hinzu kommt, dass die letzten Dokumentarfilmredaktionen unter Druck geraten sind. Es ist, als hätten Großkonzerne ihre Controller losgeschickt, um alles abweichende, nicht Quote bringende aus dem System zu entfernen. Ich bin ein großer Verteidiger des suchenden und forschenden Dokumentarfilms, aber inzwischen wollen die Sender, die Förderer, Festivals und Verleiher den gescripteten, also den geplanten, Dokumentarfilm. Und nicht die ausführliche Recherche, keine forschenden und fragenden und nicht auf alles eine Antwort wissenden Filmemacher. Eine solche Haltung hätte nicht Filme von Agnes Varda, Eberhard Fechner, Klaus Wildenhahn, DA Pennebaker oder Maysles Brothers hervorgebracht. Oder wie Wildenhahn sagte: der offene Dokumentarfilm ist im Grunde wie Free-Jazzmusik — live gespielt, wo auch Fehler zugelassen sind, was für mich eine Art von Poesie hervorbringt.


Werbesprech wie bei RTL

Mich stört sehr, dass sich bei vielen Redakteuren der „Werbesprech" durchsetzt, zum Beispiel „Wir müssen emotionalisieren". ARTE verlangt von Sprechern, die Stimme zu „rtl-lisieren". Interviews sollen konsequent und durchgehend mit Musik unterlegt werden. Fotos gehören animiert und Archivmaterial muss im 16:9-Format präsentiert werden. Diese ästhetischen Eingriffe verändern den Inhalt und haben nichts zu tun mit einem demokratischen und aufklärerischen Fernsehen. Im Gegenteil, man biedert sich dem neoliberalen TV (von Pro7 bis Spiegel TV) an. Inhalte verschwimmen und ersaufen so in einer Ästhetik der sich ständig bewegenden und mit Weichfilter bestückten Kameras. Untermalt wird das Ganze mit esoterischer und sphärischer Fahrstuhlmusik, die Spannung erzeugen soll und gleichzeitig alles zu einem Einheitsbrei verrührt. Nichts ist mehr von nichts unterscheidbar. Man kommt nie zur Ruhe und damit nie zur Reflexion. Selbst bei Dokumentarfilmen erwarten die Sender heutzutage Helden und ein Happy End. Sie wollen keine „normalen" Menschen mehr, sondern nur noch außergewöhnliche.


Die Nutzung der Archive

Ein weiteres großes Problem besteht in der Nutzung der Archive des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Bis vor einiger Zeit gab es den sogenannten Programmaustausch. Egal, für welchen Sender man arbeitete, man hatte kostenlosen Zugriff auf das komplette Archivmaterial aller Fernsehanstalten. Dies gilt jetzt, nachdem der NDR diesen Austausch aufkündigte, nur noch bedingt für komplette Auftragsproduktionen. Wir waren der erste Fall, der unter diese neue Regelung fiel, und plötzlich standen wir vor einer Finanzierungslücke von ca. 30.000 €. Die Lizenzabteilung eines Senders, der auch gleichzeitig Koproduzent war, wollte das von uns benutzte Archivmaterial bezahlt haben — eine für uns völlig unverständliche Reaktion. Wir hatten Filmförderung in dem gleichen Bundesland bekommen. Letztlich wurden die Kosten für die Archivnutzung von der Filmförderung getragen. Das heißt, die Filmförderung hat den koproduzierenden und ortsansässigen Sender, genauer deren Lizenzabteilung für das sendereigene im Film verwandte Archivmaterial bezahlt.


BBC öffnet ihre Archive

Im Ausland schaut man nach vorn, bei uns gehen die Fernsehanstalten drei Schritte zurück. Die BBC öffnet ihre Archive für die Zuschauer. Von der BBC vollfinanzierte Sendungen kann man sich umsonst anschauen. In Amerika machen sich Michael Moore und andere Filmemacher für ein FairUse-System stark, eine Art Zitatrecht nach dem man gewisses Bild- und Tonmaterial in einer gewissen Länge kostenfrei nutzen kann. Das ist etwas längst Überfälliges für den investigativen und wissenschaftlich arbeitenden Dokumentarfilm. Bei uns zahlt der Dokumentarfilmemacher aus seinem knappen Budget für jeden Archiv-Schnipsel. Das muss hinterfragt werden. Da es so viele Probleme zu bewältigen gibt und die öffentlich-rechtlichen Sender ihr eigentliches vom Gesetzgeber klar festgeschriebenes Aufgabenfeld fast komplett verlassen haben (bis auf Die Sendung mit der Maus), empfehle ich dringend, sich in der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm zu engagieren.

Ellen Wietstock: Welche Chancen siehst Du für die Dokumentarfilmer in der Digitalisierung?

Dietmar Post: Für mich ist die digitale (R)evolution ein echter Umsturz, der allerdings in Europa nicht wirklich wahrgenommen wird, in USA dagegen sehr wohl. Dort wird die Schein-Demokratisierung, die mit der Digitalisierung einhergeht, eher goutiert/genutzt. Der Filmemacher ist eigentlich zum Schriftsteller geworden und das Produzieren ist billig geworden — wie ein Schriftsteller, der ein Blatt Papier und einen Bleistift braucht. Meine kleine Digital-Kamera ist mein Bleistift, und mein Laptop ist mein Blatt Papier. Für jeden machbar. Beuys und Warhol hätten sich gefreut. Warhol war vielleicht der beste Dokumentarfilmer überhaupt (Zitat frei nach Warhol): „Filmemachen ist ganz leicht. Man stellt die Kamera auf und drückt auf Start. Zu Ende ist der Film automatisch, wenn die Filmrolle leer ist."


Film funktioniert wie Kunst

Ellen Wietstock: Mit dem Argument, dass das Produzieren jetzt günstiger sei, senken die Förderer häufig die Fördersummen für die einzelnen Projekte.

Dietmar Post: Das ist richtig, die Budgets wurden teilweise um die Hälfte gesenkt, und da sind viele der älteren Kollegen ausgestiegen, denn wer will schon ein Jahr lang für 15.000 € arbeiten. So ist man in Europa mit diesem Phänomen umgegangen. In Amerika hingegen, wo es natürlich fördermäßig ansonsten der Graus ist, hat man auf die technische Veränderung reagiert. Dort gibt es ja keine Film-Filmförderung in dem Sinne, aber verschiedene kleine Töpfe wie den Endowment for the Arts, Sundance Film Fund und andere. Diese Institutionen haben sofort erkannt, dass Filmemachen in Zukunft so funktionieren wird wie andere Kunstgattungen. Man könnte beispielsweise mit einem Jahresstipendium sehr billige Filme produzieren. Man zahlt den Filmemachern ein Jahr lang die Miete, das Essen und gibt ihnen einen weiteren kleinen Zuschuss und in diesem Jahr erstellt er/sie einen Film.


Sinnvolle Förderung: Seed Money und Completion Money

Die schwierigste Phase beim Dokumentarfilm ist das Stadium, in dem die Idee Gestalt annimmt und die Recherche beginnt. In Amerika gibt es zwar kaum Produktionstöpfe, aber „seed money", das heißt, man erhält für eine gute Idee zwischen 10 und 50.000 Dollar. Damit kann man loslegen. In einem späteren Stadium gibt es „completion money" bei der Vorlage einer Rohschnittfassung von vier oder fünf Stunden 30.000 bis 80.000 Dollar, um den Film fertigzumachen. So sieht für mich eine kluge und sinnvolle Filmförderung aus. Aber leider kommt bei uns von Seiten der Förderer keine Reaktion auf derartige Verbesserungsvorschläge. In Deutschland muss die Idee bereits mit einem Sender und einem Verleiher abgestimmt sein. Die verbiegen aber manchmal schon die Geschichte. Hinzu kommt, dass man als leidenschaftlicher Filmarbeiter für seinen Enthusiasmus bestraft wird. Wir mussten uns von einem Mitarbeiter der Filmförderung sagen lassen, dass wir dumm gewesen sind, weil wir mit nur 30.000 € Media-Entwicklungsgeld einen ganzen Film gedreht hätten. Man hätte lieber gesehen, dass wir das Projekt abbrechen. Junge und alte Talente werden Filme machen, wie man früher Bücher geschrieben hat. Man legt einfach los. Es wäre auch für Förderer und TV-Leute einfacher, Filme zu fördern, die fast fertig sind. Dort kann man doch sehen, ob es eine schöne Geschichte wird oder nicht. Ich rate jungen Filmemachern immer zum „eigenen Weg".

Ellen Wietstock: Wie siehst Du die Zukunft des Kinos?

Dietmar Post: Da bin ich kein Fachmann oder Prophet. Aber auch viele Kinos und Verleihfirmen haben meiner Meinung nach die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Dabei braucht man nur einen Blick auf die Musikindustrie zu werfen. Große Popstars wie Madonna sind bei keiner Plattenfirma mehr unter Vertrag, und selbst die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle haben sich nach über 100 Jahren von der Deutschen Grammophon getrennt und ihre eigene Plattform gegründet. Als EMI vor einigen Jahren aufhörte, Platten zu produzieren, war klar, dass niemand mehr Platten kaufen wird. Das Unternehmen lebt nur noch von den Musikrechten. Alle großen Bands gehen den gleichen Weg. Plattenfirmen sind nichts anderes als Promoter und Verleiher. Unsere Firma play loud! productions arbeitet mit Vertriebsfirmen, die unsere DVDs in die Läden bringen und die unsere Filme und Musik zum Download und als Stream weltweit anbieten. Wir brauchen keine klassische Verleihfirma mehr. Die physischen Produkte hören demnächst ohnehin auf zu existieren – es sei denn, man macht spezielle Sachen wie ein Cover mit Zeichnungen von Daniel Richter und als Bonus-Material eine Vinyl-Single, spezielle Sammlerobjekte. Aber das ist ein kleiner Markt, den wir als Amateure (von lateinisch amator ,Liebhaber`) gerne bedienen. Jeder kann jetzt im Netz eine eigene Plattform herstellen und seine Produkte, Filme, Platten und Bücher direkt an den Kunden weiterverkaufen. Im Grunde schlägt die Stunde der Tante-Emma-Läden. Jedoch wollen viele Kunden eine Vereinheitlichung und setzen deshalb auf Amazon, YouTube und iTunes. Diese multinationalen Konzerne haben aber gar kein Interesse an Kultur und Demokratie. Das YouTube-Angebot besteht zu 2/3 ausgeklautem Material. Niemand regt sich darüber auf. iTunes und Amazon setzen Vertriebsfirmen die Pistole auf die Brust und bestimmen die Preise. Kein Widerstand. Ist doch alles schön bunt hier.


Kino als Ort der Kommunikation

Das Kino als Ort wird überleben, es gibt ein Publikum, das mit den Filmemachern kommunizieren will. Auch hier war die Musikindustrie Jahre vorher betroffen und die Konzertsäle sind trotz Krise voller denn je. Menschen wollen unter Menschen sein und ausgehen. Das Kino muss allerdings wieder politischer werden und dem Publikum etwas abverlangen. Wir erleben gerade mit unserem Film Die Siedler Francos diese Rückbesinnung auf das Wesentliche des Kinos oder auch anderer Ausdrucksformen. Wir haben aufgrund des Versuchs der Zensur ein „ambulantes Kino" (so etwas fördert die deutsche Filmförderung nicht, weil das unprofessionell ist) organisiert und fahren in Spanien übers Land und in die Städte und zeigen den Film in kleinen Kulturzentren, Nachbarschaftsvereinen, Kinoclubs (die zu Zeiten der Diktatur verbotene Filme zeigten), Museen, Stadthallen, Buchläden, Kinos, Schulen, Dorfplätzen, Universitäten und überall dort, wo man uns einlädt. Wir hatten schon jetzt mehr Zuschauer als der durchschnittliche Kinodokumentarfilm. Dies ist sicherlich mehr wert als 1 % Einschaltquote und 1 Millionen Klicks auf YouTube, denn jede Aufführung zieht eine lange und ausführliche Debatte über den Film und das Thema des Films nach sich. Wir müssen wieder über die gesellschaftlich relevanten Themen reden. Dieses „ambulante Kino" ist nachhaltig. Vieles von dem, was den Markt-, Sender- und Förderrichtlinien folgt, ist es leider nicht.


Profil von Dietmar Post
www.playloud.org

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